»Herbsthauch« von Friedrich Rückert

Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!

Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.

Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
»Herbstaugen« von Hilde Domin

Presse dich eng an den Boden.

Die Erde riecht noch nach Sommer,
und der Körper riecht noch nach Liebe.

Aber das Gras ist schon gelb über dir.
Der Wind ist kalt und voll Distelsamen.

Und der Traum, der dir nachstellt,
schattenfüssig, dein Traum hat Herbstaugen.

 
»Herbsthauch« von Friedrich Rückert

 



Aus: Hilde Domin, Gesammelte Gedichte, 1978, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

»Die Nacht« von Joseph von Eichendorff

»Herbstaugen« von Hilde Domin

»September« von Hermann Hesse