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Es werden Posts vom November, 2020 angezeigt.

»Novembertag« von Christian Morgenstern

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Nebel hängt wie Rauch ums Haus, drängt die Welt nach innen; ohne Not geht niemand aus; alles fällt in Sinnen. Leiser wird die Hand, der Mund, stiller die Gebärde. Heimlich, wie auf Meeresgrund, träumen Mensch und Erde. »Novembertag« von Christian Morgenstern (1871 - 1914) Video: Christian Morgenstern: NOVEMBERTAG - Youtube

»Ende des Herbstes« von Rainer Maria Rilke

Ich sehe seit einer Zeit, Wie alles sich verwandelt. Etwas steht auf und handelt Und tötet und tut Leid. Von Mal zu Mal sind all Die Gärten nicht dieselben; Von der gilbenden zu der gelben Langsamem Verfall: Wie war der Weg mir weit. Jetzt bin ich schon bei den leeren Und schaue durch die Alleen. Fast bis zu den fernsten Meeren Kann ich den ernsten schweren Verwehrenden Himmel sehn. »Ende des Herbstes« von Rainer Maria Rilke Quelle: »Rilke, Die Gedichte. Nach der von Ernst Zinn besorgten Edition der sämtlichen Werke«, Insel Verlag 1957. »Das Buch der Bilder«, 1902, 1905

»Lebt wohl« von Annette von Droste-Hülshoff

Lebt wohl, es kann nicht anders sein! Spannt flatternd eure Segel aus, Laßt mich in meinem Schloß allein, Im öden geisterhaften Haus. Lebt wohl und nehmt mein Herz mit euch Und meinen letzten Sonnenstrahl; Er scheide, scheide nur sogleich, Denn scheiden muß er doch einmal. Laßt mich an meines Seees Bord, Mich schaukelnd mit der Wellen Strich, Allein mit meinem Zauberwort, Dem Alpengeist und meinem Ich. Verlassen, aber einsam nicht, Erschüttert, aber nicht zerdrückt, Solange noch das heil'ge Licht Auf mich mit Liebesaugen blickt. Solange mir der frische Wald Aus jedem Blatt Gesänge rauscht, Aus jeder Klippe, jedem Spalt Befreundet mir der Elfe lauscht. Solange noch der Arm sich frei Und waltend mir zum Äther streckt Und jedes wilden Geiers Schrei In mir die wilde Muse weckt. »Lebt wohl« von Annette von Droste-Hülshoff

»Sehnsucht« von Friedrich Schiller

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Ach, aus dieses Tales Gründen, Die der kalte Nebel drückt, Könnt ich doch den Ausgang finden, Ach wie fühlt ich mich beglückt! Dort erblick ich schöne Hügel, Ewig jung und ewig grün! Hätt ich Schwingen, hätt ich Flügel, Nach den Hügeln zög ich hin. Harmonien hör ich klingen, Töne süßer Himmelsruh, Und die leichten Winde bringen Mir der Düfte Balsam zu, Goldne Früchte seh ich glühen Winkend zwischen dunkelm Laub, Und die Blumen, die dort blühen, Werden keines Winters Raub. Ach wie schön muß sichs ergehen Dort im ewgen Sonnenschein, Und die Luft auf jenen Höhen O wie labend muß sie sein! Doch mir wehrt des Stromes Toben, Der ergrimmt dazwischen braust, Seine Wellen sind gehoben, Daß die Seele mir ergraust. Einen Nachen seh ich schwanken, Aber ach! der Fährmann fehlt. Frisch hinein und ohne Wanken, Seine Segel sind beseelt. Du mußt glauben, du mußt wagen, Denn die Götter leihn kein Pfand, Nur ein Wunder kann dich tragen In das schöne Wunderland. »Sehnsucht« von Friedric

»Novemberlied« Johann Wolfgang von Goethe

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Dem Schützen, doch dem alten nicht, Zu dem die Sonne flieht, Der uns ihr fernes Angesicht Mit Wolken überzieht; Dem Knaben sei dies Lied geweiht, Der zwischen Rosen spielt, Uns höret und zur rechten Zeit Nach schönen Herzen zielt. Durch ihn hat uns des Winters Nacht, So häßlich sonst und rauh, Gar manchen werten Freund gebracht Und manche liebe Frau. Von nun an soll sein schönes Bild Am Sternenhimmel stehn, Und er soll ewig, hold und mild, Uns auf- und untergehn. »Novemberlied« Johann Wolfgang von Goethe

»Herbst« von Nikolaus von Lenau

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Rings ein Verstummen, ein Entfärben: Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln, Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln; Ich liebe dieses milde Sterben Von hinnen geht die stille Reise, Die Zeit der Liebe ist verklungen, Die Vögel haben ausgesungen, Und dürre Blätter sinken leise Die Vögel zogen nach dem Süden, Aus dem Verfall des Laubes tauchen Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen, Die Blätter fallen stets, die müden. In dieses Waldes leisem Rauschen Ist mir als hör' ich Kunde wehen, daß alles Sterben und Vergehen Nur heimlich still vergnügtes Tauschen. »Herbst« von Nikolaus von Lenau