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Es werden Posts vom August, 2020 angezeigt.

»Ablösung« von Joseph Freiherr von Eichendorff

Wir saßen gelagert im Grünen, So traulich und lustig gesellt, Die Lichter des Frühlings schienen Hold spielend durchs grüne Gezelt. Im Frühlingsglanz still auf und nieder Ergingen der Frauen sich viel, Und liebliche Augen und Lieder, Sie hielten ein herzliches Spiel. Und unten von Tälern und Flüssen Ein schallendes, wirrendes Reich – O freudiges, erstes Begrüßen Von Leben und Lieben zugleich! Verlassen nun stehen die Räume, Es schauen und rauschen allein Die groß gewordenen Bäume So ernst in die Stille herein. Von allen, die dort sonst gesessen, Es sehnet sich niemand hierher, Sie haben den Frühling vergessen, Kennt keiner den anderen mehr. Und wie ich so sinn, da erwachen Die alten Lieder in mir! Da hör ich auf einmal ein Lachen Und Schallen im grünen Revier. Und fröhliche Lieder erklangen Aus Herzensgrunde so recht, Und unter den Bäumen ergangen Erblick ich ein ander Geschlecht. Geöffnet bleibt ewig zum Feste Des Frühlings lustiges Haus, Es schwä

»Beim Schlafengehen« von Hermann Hesse

Nun der Tag mich müd' gemacht, soll mein sehnliches Verlangen freundlich die gestirnte Nacht wie ein müdes Kind empfangen. Hände, lasst von allem Tun, Stirn, vergiss du alles Denken, alle meine Sinne nun wollen sich in Schlummer senken. Und die Seele unbewacht will in freien Flügen schweben, um im Zauberkreis der Nacht tief and tausendfach zu leben. »Beim Schlafengehen« von Hermann Hesse

»Herbsthauch« von Friedrich Rückert

Herz, nun so alt und noch immer nicht klug, Hoffst du von Tagen zu Tagen, Was dir der blühende Frühling nicht trug, Werde der Herbst dir noch tragen! Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch, Immer zu schmeicheln, zu kosen. Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch, Abends verstreut er die Rosen. Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch, Bis er ihn völlig gelichtet. Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch, Was wir geliebt und gedichtet. »Herbstaugen« von Hilde Domin Presse dich eng an den Boden. Die Erde riecht noch nach Sommer, und der Körper riecht noch nach Liebe. Aber das Gras ist schon gelb über dir. Der Wind ist kalt und voll Distelsamen. Und der Traum, der dir nachstellt, schattenfüssig, dein Traum hat Herbstaugen.   »Herbsthauch« von Friedrich Rückert   Aus: Hilde Domin, Gesammelte Gedichte, 1978, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main

»Die Nacht« von Joseph von Eichendorff

Wie schön, hier zu verträumen Die Nacht im stillen Wald, Wenn in den dunklen Bäumen Das alte Märchen hallt. Die Berg’ im Mondesschimmer Wie in Gedanken stehn, Und durch verworrne Trümmer Die Quellen klingend gehn. Denn müd ging auf den Matten Die Schönheit nun zur Ruh, Es deckt mit kühlen Schatten Die Nacht das Liebchen zu. Das ist das irre Klagen In stiller Waldespracht, Die Nachtigallen schlagen Vor ihr die ganze Nacht. Die Stern’ gehn auf und nieder – Wann kommst du, Morgenwind, Und hebst die Schatten wieder Von dem verträumten Kind? Schön rührt sich’s in den Bäumen, Die Lerche weckt sie bald – So will ich treu verträumen Die Nacht im stillen Wald. »Die Nacht« von Joseph von Eichendorff

»Sommermorgen« von Marie von Ebner Eschenbach

Auf Bergeshöhen schneebedeckt, Auf grünen Hügeln weitgestreckt Erglänzt die Morgensonne; Die tauerfrischten Zweige hebt Der junge Buchenwald und bebt Und bebt in Daseinswonne. Es stürzt in ungestümer Lust Herab aus dunkler Felsenbrust Der Gießbach mit Getose, Und blühend Leben weckt sein Hauch Im stolzen Baum, im niedren Strauch, In jedem zarten Moose. Und drüben wo die Wiese liegt, Im Blütenschmuck, da schwirrt und fliegt Der Mücken Schwarm und Immen. Wie sich's im hohen Grase regt Und froh geschäftig sich bewegt, Und summt mit feinen Stimmen. Es steigt die junge Lerche frei Empor gleich einem Jubelschrei Im Wirbel ihrer Lieder. Im nahen Holz der Kuckuck ruft, Die Amsel segelt durch die Luft Auf goldenem Gefieder. O Welt voll Glanz und Sonnenschein, O rastlos Werden, holdes Sein, O höchsten Reichtums Fülle! Und dennoch, ach - vergänglich nur Und todgeweiht, und die Natur Ist Schmerz in Schönheitshülle. »Sommermorgen« von Marie von Ebner Eschenba

»Mignon« von Johann Wolfgang von Goethe

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Kennst du das Land, wo die Zitronen blüh'n, Im dunkeln Laub die Goldorangen glüh'n, Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht. Dahin! Dahin Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, zieh'n. Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach, Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach, Und Marmorbilder stehn und seh'n mich an: Was hat man dir, du armes Kind, getan? Kennst du es wohl? Dahin! Dahin Möcht ich mit dir, o mein Beschützer, zieh'n. Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg? Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg; In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut; Es stürzt der Fels und über ihn die Flut. Kennst du ihn wohl? Dahin! Dahin Geht unser Weg! o Vater, laß uns zieh‘n! »Mignon« von Johann Wolfgang von Goethe

»Die Nacht« von Joseph von Eichendorff

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Wie schön, hier zu verträumen Die Nacht im stillen Wald, Wenn in den dunklen Bäumen Das alte Märchen hallt. Die Berg’ im Mondesschimmer Wie in Gedanken stehn, Und durch verworrne Trümmer Die Quellen klingend gehn. Denn müd ging auf den Matten Die Schönheit nun zur Ruh, Es deckt mit kühlen Schatten Die Nacht das Liebchen zu. Das ist das irre Klagen In stiller Waldespracht, Die Nachtigallen schlagen Vor ihr die ganze Nacht. Die Stern’ gehn auf und nieder – Wann kommst du, Morgenwind, Und hebst die Schatten wieder Von dem verträumten Kind? Schön rührt sich’s in den Bäumen, Die Lerche weckt sie bald – So will ich treu verträumen Die Nacht im stillen Wald. »Die Nacht« von Joseph von Eichendorff