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Es werden Posts vom November, 2024 angezeigt.

»Novembertag« von Christian Morgenstern

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Nebel hängt wie Rauch ums Haus, drängt die Welt nach innen; ohne Not geht niemand aus; alles fällt in Sinnen. Leiser wird die Hand, der Mund, stiller die Gebärde. Heimlich, wie auf Meeresgrund, träumen Mensch und Erde. »Novembertag« von Christian Morgenstern (1871 - 1914) Video: Christian Morgenstern: NOVEMBERTAG

»Lebt wohl« von Annette von Droste-Hülshoff

Lebt wohl, es kann nicht anders sein! Spannt flatternd eure Segel aus, Laßt mich in meinem Schloß allein, Im öden geisterhaften Haus. Lebt wohl und nehmt mein Herz mit euch Und meinen letzten Sonnenstrahl; Er scheide, scheide nur sogleich, Denn scheiden muß er doch einmal. Laßt mich an meines Seees Bord, Mich schaukelnd mit der Wellen Strich, Allein mit meinem Zauberwort, Dem Alpengeist und meinem Ich. Verlassen, aber einsam nicht, Erschüttert, aber nicht zerdrückt, Solange noch das heil'ge Licht Auf mich mit Liebesaugen blickt. Solange mir der frische Wald Aus jedem Blatt Gesänge rauscht, Aus jeder Klippe, jedem Spalt Befreundet mir der Elfe lauscht. Solange noch der Arm sich frei Und waltend mir zum Äther streckt Und jedes wilden Geiers Schrei In mir die wilde Muse weckt. »Lebt wohl« von Annette von Droste-Hülshoff

»Herbst« von Nikolaus von Lenau

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Rings ein Verstummen, ein Entfärben: Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln, Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln; Ich liebe dieses milde Sterben Von hinnen geht die stille Reise, Die Zeit der Liebe ist verklungen, Die Vögel haben ausgesungen, Und dürre Blätter sinken leise Die Vögel zogen nach dem Süden, Aus dem Verfall des Laubes tauchen Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen, Die Blätter fallen stets, die müden. In dieses Waldes leisem Rauschen Ist mir als hör' ich Kunde wehen, daß alles Sterben und Vergehen Nur heimlich still vergnügtes Tauschen. »Herbst« von Nikolaus von Lenau